Suche

/ languages

Choisir langue
 

"Entre les murs"

Die Goldene Palme im Kinosaal

Artikel vom 26.09.2008 Letzte Aktualisierung am 01.10.2008 07:47 TU

Entre les murs© Distribution Haut et Court

"Entre les murs" erzählt einen ganz normalen Schulalltag. Ein brisantes Thema, das in Cannes zur Goldenen Palme gekrönt wurde und nun in den französischen Kinos angelaufen ist. In „Entre les murs“ ("Zwischen den Mauern") geht es um eine Klasse in einer Pariser Problemschule. Das Besondere daran: es gibt keine professionellen Schauspieler. Schüler und Lehrer spielen sich selbst.

"Entre les murs" mit Publikumsreaktionen

26/09/2008 Constanze von Szombathely

 

„Entre les murs“, das heißt ein Jahr zwischen den Mauern einer Problemschule im 20. Arrondissement in Paris. Protagonisten sind die 25 Schüler einer 8. Klasse und ihr junger Französischlehrer, François Bégaudeau, Autor der gleichnamigen Filmvorlage. Der Unterricht ist für ihn immer wieder ein Kampf; regelrechte Wortgefechte mit seinen Schülern hat er zu bestehen.

Metapher für den Zustand Frankreichs

 „Das ist eine Fundgrube, diese Geschichte vom Französischunterricht. Ich sage, er ist mindestens zweimal so interessant für das Kino und für die Literatur wie eine Physikstunde. Er ist eine Art Spiegelbild der Gesellschaft. „Le Français“ das ist die Sprache, aber „le Français“, das ist auch der Einwohner dieses Landes. Also ist dieser Unterricht auch eine Metapher für den Zustand Frankreichs. Es ist richtig, jedes Land hat seine Muttersprache. Aber es werden auch andere Sprachen gesprochen. Wenn wir dieses Sprachgewirr entwirren, sind wir mittendrin in ganz grundlegenden Fragen: Was macht dieses Land aus? Was ist das, eine Nation?“

Bégaudeaus Schüler kommen aus verschiedenen sozialen Schichten, über die Hälfte mit Migrationshintergrund. „Entre les murs“ ist ein Film zwischen Dokumentation und Fiktion. Denn die Schüler spielen ihre eigene Rolle, haben sich ein Jahr lang jeden Mittwochnachmittag auf die Dreharbeiten vorbereitet. Da ist zum Beispiel Franck, der Suleymann spielt, den Rebellen der Klasse. Der am Ende von der Schule fliegt. Oder Esmeralda, ein kräftiges Mädchen mit großer Klappe, die sie im Film und auch sonst hat. Eben diese Authentizität macht den Film für sie aus.

 „Meiner Meinung nach ist das ein eher ein Film für die Jugendlichen. Denn die haben den gleichen Charakter wie wir. Und ich denke, die werden drauf stehen. Denn das hätten ja auch sie sein können an unserer Stelle. Also echt, die müssen einfach auf diesen Film abfahren."

"Als Lehrer stehst du in der Klasse und siehst das alles in echt."

Eine Gruppe von 14, 15-Jährigen schaut sich „Entre les murs“ gleich am ersten Tag in einem Kino an der Bastille an. Den Goldenen-Palme-Gewinner haben auch sie mit Spannung erwartet.

 „Ich fand den Film sehr gut. Außer, das eben nicht alle Schulen so sind. Es gibt auch welche, die besser sind.“

Nach dem Film bleiben die Besucher in Grüppchen vor dem Kino stehen. Die meisten davon sind Erwachsene. Darunter auffallend viele Lehrer.

„Ich hab nicht ein Mal lachen können. Denn als Lehrer stehst du in der Klasse und du siehst das alles in echt, während ihr euch hier  nur einen Film anseht.“

Fast jeder der Zuschauer hat eine Meinung zum Film. Schule ist schließlich eine Erfahrung, die jeder gemacht hat.

 „Das hat mir schon gefallen. Ich finde, der Film reflektiert gut, was alles so während eines Schuljahres passiert. Da gibt es eben auch mal beschissene Momente. Das ist nicht unbedingt das, was ich zu Schulzeiten erlebt habe. Daher ist es gut zu sehen, wie das heutzutage so läuft.“

 „Mir hat der Film nicht so gefallen, nein. Ich fand das Ganze zu lang und zu phrasenhaft.“

 „Was ich echt krass fand, ist, dass manchmal einfach das Verständnis für solche Kids fehlt. Das heißt, die sitzen da Stunden, Jahre auf ihren Schulbänken. Und für manche macht es wirklich keinen Sinn."

Schulmauern als Gefängnismauern

Die Schulmauern werden dann zu einer Art Gefängnismauer. Die schüchterne Henriette kommt am Ende einer Schulstunde zu ihrem Lehrer und sagt, dass sie nichts mehr versteht. Dass sie lieber eine Ausbildung machen möchte, als sich noch weiter zu quälen.

Regisseur Laurent Canet weiß, dass er mit solchen Szenen polarisiert.

„Es stimmt, dass man lange schon über diesen Film redet und dass es viele Leute gibt, die eine Menge darüber zu sagen haben, ohne ihn gesehen zu haben. Mich beruhigt, dass der Film weniger leicht zu verarbeiten ist, wenn man ihn einmal gesehen hat. Denn ich glaube, er stellt genau die Komplexität eines Systems und dessen Widersprüche dar. Daher ergreift er auch nicht Partei.“

Sommerferien statt Happy End

„Entre les murs“ zeigt die Schüler und ihren Lehrer in intimen Klassenraumszenen, wie man sie sonst nicht zu sehen bekommt. Es geht um den Schulalltag und dessen Höhen und Tiefen. Am Ende gibt es daher auch kein Happy End, sondern die Sommerferien.

Und Esmeralda mit der großen Klappe schafft es noch einmal ihren Lehrer zum Staunen zu bringen. Auf die Frage, was sie in diesem Jahr gelernt habe, erzählt sie von einem Buch, das sie im Bücherregal ihrer Schwester gefunden hat: die Republik von Platon. In dem es für sie um Liebe, Religion, um irgendwie alles geht.