Ulrike Sachweh
Artikel vom 25.03.2009 Letzte Aktualisierung am 25.03.2009 10:57 TU
Jeder kennt wohl den "Denker" von Rodin oder ein Foto des Bildhauers mit weißem Rauschebart. Er ist nicht nur der berühmteste Bildhauer des endenen 19. und des beginnenden 20. Jahrhunderts, sondern war auch damals Dreh-und Angelpunkt der Pariser Kunstszene. Und der Fixpunkt für die zahlreichen Bildhauer aus ganz Europa, die in Paris Karriere machen oder zumindest hier ihre Kunst erlernen wollten. Nur war es sehr schwer, sich von dem großen Meister zu lösen. Dass es Einige dennoch geschafft haben, und wie, das zeigt bis zum 31. Mai eine Ausstellung im Musée d'Orsay, unter dem Titel Oublier Rodin?
Rodin ist so etwas wie das unumschiffbare Ungetüm um 1900. Er hat schon 30 Jahre Karriere hinter sich, viele Skandale haben ihn berühmt gemacht, er ist ein Patriarch der Bildhauerei geworden, er wird überall in Europa ausgestellt und wird von allen möglichen Menschen angehimmelt. Die jungen Künstler sind einerseits fasziniert von ihm, andererseits sind sie frustriert und wollen etwas Neues nach ihm schaffen. Ist es noch möglich, nach Rodin Neues zu schaffen, das ist der Sinn des Titels mit einem Fragezeichen.
Die Kuratorin der Ausstellung, Anne Chevillot, will nicht so weit gehen, von einem Ödipus-Komplex zu sprechen, aber einige Künstler mussten wohl doch erstmal diesen Übervater töten, bevor sie sich selbst behaupten konnten. Und einen neuen Stil finden. Manche tendieren zur Avantgarde, wie Picasso, Brancusi, Archipenko, andere zu einem gewissen Neoklassizismus, wie Bourdelle, Renoir und vor allem Aristide Maillol. Seine Skulptur "La Méditerranée", eine sitzende Frau aus weissem Marmor mit überproportionierten Beinen, kleinen Brüsten und gesenktem Kopf, während sich ihr linker Arm auf das angezogene Knie stützt, diese einfache Skulptur aus dem Jahr 1905 ist sozusagen der Ausgangspunkt der Ausstellung im Musée d'Orsay, die mit dem beginnenden 1. Weltkrieg endet.
"La Méditerranée" galt bei den Zeitgenossen schon 1905 als eine Art Manifest der neuen Bildhauerei, weil sie in jeder Hinsicht anti- Rodin war. Rodin machte eine pathetische Bildhauerei. Bei Maillol war die Méditerranée einfach eine Frau, der Originaltitel war auch: Frauenfigur für einen ruhigen Park. Sie ist keine mythologische oder literarische Figur mehr. Auch ihre Haut ist nicht wie bei Rodin wie durchgewalkt, sondern ist extrem glatt, fast geometrisch. Maillol sagte, er habe seine Skulptur aus Kuben und Dreiecken geschaffen. Außerdem offenbart sie ihre Struktur, während Rodin alles tut, um die Wahrnehmung der formalen Struktur zu verschleiern.
Wie gesagt, aus aller Welt strömten die jungen Bildhauer damals nach Paris. Viele sind hier im Musée d'Orsay mit frühen Werken vertreten: Ossip Zadkine, Otto Gutfreund, Jacques Lipchitz, Julio Gonzalez, Picasso und Brancusi, um nur die bekanntesten zu nennen. Trotz ihrer Unterschiede, die einen bildhauerten kantig, die anderen eher rund und geschmeidig, sahen sie sich untereinander kaum als Konkurrenten. Der Einzige, an dem sie sich maßen, war Auguste Rodin. Viele waren seine Schüler gewesen oder hatten in seinem Atelier gearbeitet, wie Kuratorin Anne Chevillot, erläutert.
Brancusi, Bourdelle, alle grossen Bildhauer sind mehr oder weniger lange im Rodin-Atelier gewesen. Bourdelle mehrere Jahre, Brancusi nur einige Monate. Beide haben schnell die Flucht ergriffen. Brancusi hat damals gesagt: es wächst nichts im Schatten großer Bäume. Bourdelle hat Rodin eines Tages eingeladen, um ihm seinen Apollo-Kopf zu zeigen. Als Rodin die Veränderungen gesehen hat, die Bourdelle diesem Kopf über die Jahre beigefügt hat, um genau das Gegenteil des Meisters zu machen, hat Rodin das Atelier wortlos verlassen und ist nie wieder zurück gekehrt.
Ein schwieriges Verhältnis zu Rodin hatte auch der deutsche Bildhauer Wilhelm Lehmbruck. Er ist hier in der Ausstellung gleich mit 38 Werken vertreten, also das zweite große Schwergewicht mit Rodin. Erstaunlicherweise ist Lehmbruck in Frankreich praktisch unbekannt, obwohl er immerhin vier Jahre lang in Paris gelebt und garbeitet hat, von 1910 bis 1914, und schon vorher enge Kontakte mit der Pariser Szene pflegte, wie der Direktor des Lehmbruck-Museums, Christoph Brockhaus, präzisiert:
Fokus Frankreich
Letzte Aktualisierung am 15.01.2010 16:16 TU
Politik
2010.01.18 10:51 TU
Gesellschaft