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Krisenkonsum

Der Treffpunkt der Armen

Artikel vom 09.04.2009 Letzte Aktualisierung am 09.04.2009 13:57 TU

Steigende Armut in FrankreichAFP
Die internationale Wirtschaftskrise hat in Frankreich neue Ausmaße angenommen. Selbst Lebensmittel im Supermarché um die Ecke sind nun für einige Franzosen so gut wie unerschwinglich. Ihre Alternative: abgelaufene Produkte, die auf den illegalen Märkten verkauft werden. Angela Bartz hat sich an einem Samstag auf die Suche nach den vermeintlichen "Schnäppchen" gemacht.

Krisenkonsum

09/04/2009

Es ist ein sonniger Frühlingstag in Paris. Die Sonne zieht viele Pariser am Wochenende auf die Märkte. Kein Wunder also, dass der größte Flohmarkt der französischen Hauptstadt brechend voll ist: les puces Saint-Ouen. Das Angebot reicht hier von Klamotten, über Möbel bis hin zu Schmuck und Accessoires. Einheimische und Touristen schlendern Seite an Seite an den Ständen vorbei. Von überall kommt Musik. Von Zeit zu Zeit steigt der Duft von frischen Crêpes in die Luft. Doch am westlichen Ende des Flohmarktes beginnt eine ganz andere Welt.

Am Ende der Rue Jean Henri Fabre, unter dem Périphérique an der Porte de Montmartre, befindet sich der marché clandestin, ein Markt, der zwar illegal ist, aber er wird im Grossen und Ganzen toleriert. Seit mehreren Jahrzehnten existiert er nun schon, der "Treffpunkt der Armen." Viele tragen schmutzige Kleidung. Andere nicht ein mal Schuhe. Es sind die, die am Existenzminimum leben: Arbeitslose, Sozialhilfeempfänger, alleinerziehende Mütter, Rentner, Studenten. Ihre Zahl ist im letzten halben Jahr um 30% gestiegen. Aber, es sind auch Leute, die nicht so aussehen, als ob sie unter einer Autobahnbrücke ihre Wochenendeinkäufe erledigen. Die Verkäufer, überwiegend Frauen, stehen oder sitzen neben den Tüchern, auf denen sie ihre Waren ausgebreitet haben: gebrauchte Kleidung, Kosmetika, elektronische Waren. Und vereinzelt Lebensmittel. Sie sind der Grund dafür sind, warum das Interesse der Öffentlichkeit an den Schwarzmärkten in den letzten Wochen extrem gestiegen ist. Denn, die hier verkauften Lebensmittel sind abgelaufen. Darunter zu finden ist eigentlich alles: Eier, Brot, Konserven, Milchprodukte, Fleisch und Fisch. Alles kostet nur 50 Cent. Oft entspricht das nicht ein Mal der Hälfte des ursprünglichen Preises. Dass ein gesundheitliches Risiko besteht, weil die Frischwaren eben nicht mehr wie es der Name verlangt frisch sind, scheint die Käufer nicht abzuschrecken.

„Auch ich persönlich habe manchmal wenig Geld und nur noch 5 € in den Taschen. Dann kaufe ich Lebensmittel, die gerade von den Supermärkten weggeworfen wurden. Meistens bleiben noch ein zwei Tage zum Verbrauchen, oder das Verfallsdatum ist um ein zwei Tage überschritten. Wenn ich Sachen, die im Supermarkt 2 bis 3 Euro kosten, für 50 Cent bekommen kann, zögere ich nicht.“

So geht es wohl den meisten, die hierher kommen. Manche Verkäufer verdienen bis zu 30€ an einem Vormittag. Aber wie kommen sie eigentlich an die abgelaufenen Produkte heran?

„Das Sicherheitspersonal der Supermärkte gibt mir die Sachen. Eingepackt in Tüten stehen sie abholbereit vor den Geschäften. Und wir nehmen sie dann mit ihrer Erlaubnis mit.“

Manchmal müssen sie die Händler auch aus den Mülltonnen der Geschäfte fischen, die die Lebensmittel nicht mehr nach Ablauf des Verfallsdatums verkaufen dürfen. Auf dem Schwarzmarkt ist das natürlich auch nicht erlaubt. Daher bekommen alle regelmäßig Besuch von der Polizei. Sobald die Verkäufer die Sicherheitskräfte erblicken, wird hastig alles in den Caddy gestopft. Sollte es dafür schon zu spät sein, lassen sie ihre Waren einfach stehen. Wenn nämlich die Polizei sie beim illegalen Verkauf von Lebensmitteln verwischt, dann müssen sie eine Geldstrafe zahlen: 170 €. Und sollten die Waren auch noch abgelaufen sein, dann wird es richtig teuer: 340€. Die meisten Händler könnten dieses Bußgeld allerdings nicht entrichten.