Ulrike Sachweh
Artikel vom 27.04.2009 Letzte Aktualisierung am 28.04.2009 11:57 TU
Wer kennt sie nicht, die Warhol-Porträts von Mao und Marilyn, Jackie Kennedy und Liz Taylor. Sie gehören zu den Ikonen des 20. Jahrhunderts. Diese und etwa 130 andere berühmte und anonyme Köpfe sind bis zum 13. Juli im Pariser Grand Palais ausgestellt, unter dem Titel: Le grand monde de Andy Warhol - Die große Welt des Andy Warhol, die sich zum Teil auch mit der mondänen Welt der 60er-70er und 80er Jahre deckt. Das ist nicht jedermanns Sache. Aber überwiegend junges Publikum steht Schlange, wie schon bei der vorhergehenden Picasso-Ausstellung, die alle Rekorde gebrochen hatte.
Es ist das erste Mal überhaupt, dass die Warhol-Porträts so geballt und fast exklusiv ausgestellt sind. Dabei hat sich Kurator Alain Cueff über das unter Warholexperten verbreitete Urteil hinweggesetzt, die Porträts, vor allem die der internationalen High- und Jet-Society, seien nur Auftragsarbeiten, die der Künstler so nebenher und quasi in Serie hergestellt hat. Es gehört zum guten Ton, über diese Warhol-Produkte die Nase zu rümpfen. Alain Cueff will sie mit dieser Show nun rehabilitieren.
Ich habe mir gesagt, gucken wir genauer hin und sehen wir mal, wo dieses Vorurteil über die Auftragsarbeiten herkommt. Warhol hat das Missverständnis auch noch unterstützt, indem er sagte: ich muss die Mieten bezahlen, die Kids, die Mitarbeiter der Factory, ich muss Geld verdienen! Ich habe mir also all die Porträts genau angesehen. Es ist wirklich eine zeitgenössische Porträtgalerie, eine ganze Serie, mit ihrer inneren Logik, ihren unveränderlichen Elementen und Details. Von der Statistik her haben ihn die Porträts am meisten beschäftigt, von seinen Anfängen 1945 bis zum Ende.Sein erstes Porträt, aus dem Jahr 1948, ist ein Selbstporträt, eher expressionistisch im Stil. Es hat überhaupt nichts mit seinen späteren Porträts zu tun. Die Serie beginnt erst richtig 1962 mit Marilyn Monroe, die er vom Filmstar zur Popikone hoch stilisiert. Das von ihm bearbeitete Standfoto aus dem Film Niagara ist gewissermaßen das Modell für alle nachfolgenden. Warhol arbeitet seitdem immer nach demselben Schema, dem selben technischen Verfahren.
Anfang der 60er Jahre benutzt er schon vorhandene Fotos, Marilyn Monroe, Liz Taylor, Jackie Kennedy. Alles ändert sich, als er seine eigenen Modelle vor sich hat. Er benutzt einen sehr simplen Fotoapparat, den Polaroid Bigshot, der die Details des Gesichts auswischt, obendrein sind die Modelle, vor allem die Frauen, oft weiß geschminkt.
Princess Ashraf Pahlavi, 1978
© 2009 Andy Warhol Foundation for the visual arts inc./Adagp, Paris 2009
Über 1000 Porträts hat Warhol zwischen 1972 und 1986 hergestellt, fast eins pro Woche. Individuelle Züge sucht man hier vergeblich, die Bilder sind keine Charakterstudien, sondern zwängen den Abgebildeten in die Warholsche Schablone. Die ist aber schon etwas variabel: es gibt die poppigen Porträts mit den knalligen Farben, wie die unzähligen Maos, es gibt die pastellfarbigen, wie das von Giorgio Armani, die Porträts mit doppelten und dreifachen Linien, dazu gehören zum Beispiel die Köpfe von Willy Brandt und Gunter Sachs, und es gibt die kostbaren mit Gold- oder Diamantensplittern. Inwieweit der Meister da persönlich Hand anlegte, ist heute nicht mehr zu ermitteln. Doch angesichts der hohen Produktion kann man davon ausgehen, dass die meisten Porträts nach dem originellen Polaroidfoto von den Assistenten seiner New Yorker Factory angefertigt wurden. Dabei beließ es der Künstler nie bei einer einzigen Ausfertigung. Alle Porträts gibt es in mehreren Farbvariationen. Auch da spielte ein gewisses kommerzielles Kalkül mit: für ein Porträt verlangte er 25 000 Dollar, für jede weitere Variante zwischen 10 und 15 Tausend Dollar. Den Kunden stand es frei, eins, mehrere oder alle Bilder zu erstehen, die nicht verkauften behielt Warhol zunächst und verkaufte sie dann anderweitig. Für Warhol-Experte Alain Cueff ging es ihm dabei allerdings nicht nur um ein lukratives Business:
Der Preis hat sich nie geändert, deshalb denke ich, dass er Teil eines Austauschs war, der sehr viel komplizierter ist als ein einfache finanzielle Transaktion. Die Symbolik spielt da eine große Rolle. Ich würde es fast mit einem Lösegeld vergleichen. Man weiß ja auch, welche große Rolle die Bezahlung in einer psychoanalytischen Behandlung spielt. Für Warhol bedeutet Geld alles und nichts. Privat war er wohl ziemlich geizig, aber das ist anekdotisch, niemand ist perfekt, und ich glaube nicht, dass das die Qualität seines Werks beeinträchtigt hat, das uns so nah ist und so wichtig für viele weitere Jahre.
Mao Tse Tung, 1973.
Foto : 2009 Andy Warhol Foundation for the visuals arts inc. / Adagp, Paris 2009
Eins der Verdienste der Pariser Schau ist es, den religiösen Hintergrund dieser Ikonen des 20. Jahrhunderts herauszustreichen. Denn Andrew Warhola, wie er mit richtigem Namen hieß, stammte aus einer sehr gläubigen Familie, seine Eltern waren Anfang des 20. Jahrhunderts aus Osteuropa, aus einer Gegend, die heute zur Slowakei gehört, in die Vereinigten Staaten ausgewandert.
Er gehört einer unitarischen Religionsgemeinschaft an, die die orthodoxen Riten beibehalten hat, Ikonen inbegriffen, die aber dem römischen Papst Gefolgschaft leistet. Warhol ist der Sohn ruthenischer Einwanderer, die einer bäurischen Frömmigkeit anhängen, wo der Raum nichts zählt, dafür um so mehr die Zeit und das Schicksal des menschlichen Lebens. Diesen Glauben hat ihm seine Mutter übermittelt, mit der er sehr eng verbunden war. Warhol ging regelmäßig in die Messe, gehörte karitativen Organisationen an. Sein Katholizismus war keine Schau, sondern absolut authentisch. Was mich interessiert, ist der Einfluss, den diese Kultur auf sein Werk ausübt, und das zu einem Zeitpunkt, in dem die Religion völlig unmodern ist, Anfang der 60er Jahre konnte man nicht so einfach darüber reden.
Und nicht von ungefähr endet die Ausstellung im Grand Palais mit dem Porträt seiner Mutter, mit einer sehr freien Interpretation des Abendmahls von Leonardo da Vinci und mit einer Serie von Totenköpfen, deren Schatten auf den zweiten Blick die Konturen eines Neugeborenen-Kopfes haben. Beweis dafür, dass Warhol eben doch sehr viel mehr als ein mondäner Porträtmaler und zynischer Geschäftemacher war.Fokus Frankreich
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