Suche

/ languages

Choisir langue
 

Ausstellung

Der Louvre im 2. Weltkrieg

 Ulrike Sachweh

Artikel vom 25.05.2009 Letzte Aktualisierung am 26.05.2009 09:30 TU

Die Grande Galerie 1947.© Musée du Louvre Foto Pierre Jahan
Das düsterste Kapitel in der Geschichte des Louvre-Museums, das sind ohne Zweifel die Kriegsjahre 1940-44 unter der deutschen Besatzung. Dabei haben weder das Gebäude noch die Kunstwerke nennenswerten Schaden erlitten. Wie der Louvre den zweiten Weltkrieg erlebt und überlebt hat, das dokumentiert bis zum 31. August eine Ausstellung mit 55 historischen Fotos und anderen Zeitdokumenten.

 

Seit 1804 hat die Mona Lisa den Louvre nur viermal verlassen: einmal unfreiwillig, als sie 1911 von einem italienischen Glaser gestohlen wurde und über zwei Jahre verschwunden blieb, zweimal für Auslandsreisen: 1963 in die USA und 1974 nach Russland und Japan. Und einmal aus Sicherheitsgründen: kurz vor Ausbruch des 2. Weltkriegs wurde sie wie tausende anderer Meisterwerke aus dem Louvre evakuiert. Nicht in aller Eile und improvisiert, nein, das Museum hatte sich schon seit langem darauf vorbereitet, wie Kurator Guillaume Fonkenell erläutert:

Seit den ersten Siegen der NSDAP in Deutschland haben einige Leute in Frankreich geahnt, dass Gefahr im Verzug war. Schon 1932 wurden die ersten Listen erstellt. 1936 gab es wieder neue Listen, als das Ruhrgebiet wieder bewaffnet wurde. Und 1938 kam es zu einer ersten Evakuierung. Man kann also sagen, dass das Museum das internationale Geschehen der 30er Jahre eng verfolgt hat.

Man war also gut auf den Ernstfall vorbereitet, das beweisen auch die Fotos. Sie zeigen Gemälde und Skulpturen, die fachgerecht in Holzkisten verpackt werden, und zwei der berühmtesten antiken Statuen des Museums, die Nike von Samothrake und die Venus von Milo, die von Seilen umschnürt auf ihren Abtransport warten.

Die Venus "in Fesseln" - September 1939.© Musée du Louvre - Foto Laure Albin-Guillot?

Wie viele Werke insgesamt evakuiert wurden, weiß man nicht genau. Aber es waren immerhin um die 4000 Gemälde. Für die anderen Abteilungen war die Selektion strenger, zum Teil war der Transport unmöglich oder zu aufwendig im Vergleich zum Wert. Die Evakuierungen jedenfalls liefen wie geschmiert: die Lastwagen waren zur Stelle und das gesamte Louvre-Personal war mobilisiert, um die Werke wegzuschaffen. Die Zielorte waren schon ausgesucht, nach ganz bestimmten Kriterien, sie lagen zunächst im Loiretal:

Einerseits mussten sie über sehr große Räumlichkeiten verfügen, wie Schlösser oder Klöster. Außerdem mussten sie weit von der Kriegsfront entfernt sein. Aber man war im Louvre doch etwas zu optimistisch. Nach der Invasion im Juni 1940 sind die Deutschen sehr schnell bis zum Loiretal vorgedrungen. Das machte eine zweite Evakuierung notwenig, ins Zentralmassiv. Dort sind sie dann geblieben, dort gab es genügend große Gebäude, und vor allem gab es dort keine strategischen Ziele, die von Bombardements bedroht waren

In der Ausstellung wird auf einer Schautafel die regelrechte Odyssee der Mona Lisa dokumentiert, die die Kriegswirren erstaunlicherweise ohne nennenswerten Schaden überstanden hat.

Sie war zunächst im Schloss von Chambord, das sozusagen als Verschiebebahnhof diente, dann war sie vorübergehend im Schloss von Louvigny, doch schon im Juni 1940 wurde sie ins Zentralmassiv gebracht, in die Abtei von Loc-Dieu, dort ist sie bis Dezember geblieben. Doch da es in der Abtei zu feucht war, wurde sie ins Ingres-Museum von Montauban weiter transportiert. Als die Deutschen 1942 auch die bisher freie Zone besetzten, wurde Montauban zu einem strategischen Ziel auf der Nord-Südlinie, und die Mona Lisa ist in das Schloss von Montal umgezogen. Sie hat dort die letzten drei Kriegsjahre verbracht und ist erst Mitte 1945 in den Louvre zurück gekehrt.

Die Rückkehr der Mona Lisa im Juni 1945.© Musée du Louvre Foto Pierre Jahan

Doch selbst wenn die Meisterwerke alle den Louvre verlassen haben, blieb das Museum nicht lange geschlossen, schon am 29. September 1940 wurde es teilweise wiedereröffnet, im Beisein von General von Rundstedt.

Die Deutschen wollten den Louvre unbedingt offen halten, im Rahmen ihrer Pariser Kulturpolitik, denn sie wollten beweisen, dass Paris wieder zum normalen Alltag zurück gekehrt war. Außerdem war Paris DIE Attraktion für Soldaten im Fronturlaub, deshalb war es ihnen wichtig, den Louvre wieder zu öffnen. Sie haben also die französische Verwaltung, die den ganzen Krieg über am Platz geblieben ist, beauftragt, diese Wiedereröffnung zu organisieren. Doch heute kann man sagen, dass die Wiedereröffnung eher symbolisch war, denn man konnte dort kein einziges Gemälde sehen und die meisten antiken Statuen waren nicht da. Einige waren auf Verlangen der Deutschen durch Gipskopien ersetzt worden, wie zum Beispiel die Venus von Milo.

Den Besuchern blieb damals jedenfalls der desolate Anblick der Grande Galerie, des Herzstücks der Gemäldeabteilung, erspart. Fotos zeigen einen fast leeren Raum. Nur die Kartelle sind an den Wänden geblieben und auf dem Boden ein paar leere Rahmen. Andere Fotos zeigen Wegweiser durch den Louvre auf Deutsch.

Die staatlichen Sammlungen des Louvre waren also während des ganzen Krieges vor Bomben und anderen Kriegsschäden gesichert, aber nicht nur das, dank des Haager Vertrags von 1907 waren sie auch vor dem Zugriff der Deutschen sicher, allerdings auch mit einigen Ausnahmen, wie Guillaume Fonkenell erklärt. 

Da gingen die Meinungen bei den Deutschen auseinander. Man muss da unterscheiden zwischen der Politik der Wehrmacht, die einen Dienst für den Kunstschutz hatte, unter der Leitung von Graf Metternich, der war für den Erhalt der Werke in den öffentlichen französischen Sammlungen, und gewissen hohen Nazi-Würdeträgern, die die Herausgabe einiger Kunstwerke forderten. Manche gehörten vorgeblich zum unveräußerlichen deutschen Kulturerbe, andere wollten sie ganz einfach für ihre Privatsammlung haben. Da sie aber den Schein der Legalität bewahren wollten, haben sie den diplomatischen Weg des Tausches gewählt. Das heißt für die Rückgabe von deutschen Werken bekamen die Franzosen Werke aus Deutschland wieder. Aber die französische Verwaltung hat sich immer dagegen gewehrt, indem sie für die Gegenleistung lange Listen von Werken aufstellte. Wie zum Beispiel für Bouchers "Diana im Bade", auf die es Ribbentrop abgesehen hatte. Die französische Museumsdirektion hatte als Gegenleistung acht Bilder von Watteau verlangt, die zum Teil zur Sammlung Friedrichs des Zweiten gehörten, das war für die Deutschen natürlich inakzeptabel. Die hatten aber oft die Werke schon vor dem Abschluss des Tauschgeschäfts mitgehen lassen. Im Fall von Bouchers Diana haben sie das Bild nach den gescheiterten Verhandlungen wieder zurück gebracht. Die "Heilige Maria Magdalena" von Gregor Erhart, die auch in Deutschland war, ist dagegen erst nach der Befreiung wieder gefunden worden.

Das Schicksal der jüdischen Sammlungen war, wie man weiß, ganz anders: sie wurden systematisch geplündert, und das schon kurz nach dem Einmarsch der Wehrmacht in Paris im Juni 1940. Allgemein bekannt ist, dass die Werke im Jeu de Paume gesammelt und von dort zum großen Teil nach Deutschland gebracht wurden. Weniger bekannt ist, dass auch im Louvre geraubte Werke lagerten, was einige Fotos in der Ausstellung belegen.

Die Kisten mit Werken aus jüdischen Sammlungen im Louvre  (März 1943).© Bundesarchiv.

Die Deutschen waren sehr schnell überfordert, weil sie nicht genug Platz hatten, sie hatten erst alles in der deutschen Botschaft untergebracht, aber die war schon im Oktober überfüllt. Sie haben sich also an Jacques Jaujard, den Direktor der französischen Museen, gewandt, um ihnen andere Räumlichkeiten zu verschaffen. Der hatte eine Idee, die man heute der Realpolitik zuschreiben würde: er hat sich gesagt, ehe ich ihnen die Räume verweigere und sie die woanders suchen, gebe ich ihnen ein paar Säle im Louvre, wo ich sie kontrollieren kann. Aber auch die fünf Louvre-Säle waren schon im Dezember übervoll, so wurde dann auch das Jeu de Paume geöffnet. Die beiden Orte wurden den ganzen Krieg über genutzt. Der Louvre diente vor allem als Lager- und Sortierort, während das Jeu de Paume auch als Vorführraum diente, für die Nazigrößen wie Göring, der sehr oft nach Paris kam um hier Werke auszusuchen, die ihn interessierten, meistens für seine eigene Privatsammlung.

Das Kalkül des Museendirektors Jaujard ist allerdings nicht aufgegangen. Die Franzosen hatten keinerlei Kontrolle über die Konfiskationen der Nazis. Hunderttausende Werke aus jüdischem Besitz wurden zwischen 1940 und 44 nach Deutschland abtransportiert, nur der allerletzte Transport kurz vor der Befreiung von Paris konnte noch in Frankreich gestoppt werden. Noch heute suchen Nachfahren der ehemaligen Besitzer nach den geraubten Kunstwerken, ohne viel Aussicht auf Erfolg. Gleichzeitig wurden über 75000 Juden, darunter 10000 Kinder, aus Frankreich in die Konzentrationslager deportiert. Angesichts dieses ungleichen Schicksals drängt sich die sicher etwas provozierende Frage auf: hat man damals nicht sehr viel mehr Mittel und Energie für die Rettung der wertvollen Kunstwerke des französischen Kulturerbes aufgebracht als für die jüdischen Mitbürger und ihre Besitztümer? Louvre-Kurator Guillaume Fonkenell:

Na, das ist wirklich eine provozierende Frage. Ich denke vor allem, dass das Risiko nicht dasselbe war. Das ist vielleicht die Gelegenheit ein paar Worte zum Widerstand der französischen Behörden zu sagen. Nach dem Krieg gab es ja den sehr gaullistischen Willen, die Idee zu verbreiten, dass die Mehrheit der Franzosen Widerstand geleistet hat, dass also auch die Verwaltung der staatlichen Museen Widerstand geleistet hat. Ich glaube, haute kann man diese Interpretation nicht aufrecht erhalten, denn zum Widerstand gehört auch, dass man Risiken eingeht, dass man sich nicht an die Vorschriften hält. Der Schutz der staatlichen Sammlungen hat immer in einem legalen Rahmen stattgefunden, die Verwaltung hat es verstanden, die legalen Bedingungen für die eigene Sache auszunutzen. Von diesem Gesichtspunkt her hat das natürlich bei weitem nicht die selbe Bedeutung wie die Aktionen der Leute, die Juden versteckt und geschützt haben, die Fluchtnetze und anderes organisiert haben.