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Europa

Dominique de Villepin: "Die schwerste EU-Krise aller Zeiten"

 Siegfried Forster

Artikel vom 30.05.2009 Letzte Aktualisierung am 30.05.2009 17:58 TU

Dominique de Villepin(Photo: AFP)
In einem Beitrag für Frankreichs Weltzeitung LE MONDE schildert Dominique de Villepin, warum der Europawahlkampf seiner Meinung nach nicht auf der Höhe der Herausforderungen stehe. Zu einem Zeitpunkt wo „der Bedarf an Europa niemals so offensichtlich wie heute“ sei, zweifelten die Europäer an den Grundlagen der Europäischen Union.

Für den früheren französischen Premierminister zweifeln die Europäer derzeit in dreifacher Hinsicht an der EU: „Die Europäer zweifeln an der Schlagkraft der EU, weil Europa zerstritten ist und von Prozeduren eingeschnürt wird, die komplex und undurchschaubar sind. Sie zweifeln an ihrer Legitimität, wenn technokratische und oftmals dogmatische Ansätze innerhalb der EU-Einrichtungen dominieren. Sie zweifeln selbst an ihrer Identität, wenn sie sich in die Vergangenheit richten, um dort eindeutige Wurzeln oder natürliche Festungsgrenzen zu suchen.“

Für de Villepin sind die Ursachen dieser Blockade vielfältiger Art. Als ersten Grund führt der geschichtsliebende Politiker eine Fehleinschätzung der Geschichte an. Seiner Meinung nach sind die Motoren der Europäischen Einigung nach dem Mauerfall abgestellt worden, aber man habe bewusst davon abgelenkt, um sich dessen nicht bewusst zu werden: „Der Beitritt der osteuropäischen Länder wurde von Missverständnissen genährt, die mit der Zeit Faktoren der Teilung geworden sind;  die deutsche Wiedervereinigung hat das alte Europa aus dem Gleichgewicht gebracht, das auf der Prämisse eines rheinischen und schwachen Deutschlands basierte, ohne ein neues zu erfinden; das Ende der sowjetischen Gefahr wurde nicht dazu genutzt, um die transatlantischen Beziehungen neu zu gründen, noch die Beziehung zu Russland neu zu denken.“

Der Aufbau Europas ist für de Villepin vor allem eine Frage des politischen Willens – mit dem deutsch-französischen Tandem als Dreh- und Angelpunkt: „Die steigenden Meinungsverschiedenheiten machen heute eine Erneuerung des deutsch-französischen Paares zu einer dringenden Notwendigkeit.“

Europa hat nach Meinung des früheren französischen Außenministers und Premierministers heute grundlegend andere Aufgaben zu bewältigen als früher. Während Europa in der Nachkriegsepoche vor allem auf Wiederversöhnung angelegt gewesen sei, hänge heute der Erfolg der EU vor allem von der Bewältigung außereuropäischer Fragen ab: „Wir erleben das Ende eines Zeitalters. Seines Ideals beraubt, muss Europa neu gegründet werden, denn Europa bleibt eine neue Idee. Was ist notwendiger heute als sich auf die Pfeiler der EU-Gründerväter zu stützen: das Erlernen Macht zu teilen, das Solidaritäts-Prinzip zwischen Armen und Reichen sowie das Überwinden nationaler Interessen beim Erarbeiten eines allgemeinen kontinentalen Interesses… Europa ist die Zukunft der Welt.“