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Airbus-Absturz Rio-Paris

Kollektives Versagen der Sicherheitssysteme

 Siegfried Forster

Artikel vom 04.10.2009 Letzte Aktualisierung am 04.10.2009 18:13 TU

Airbus A330-200(Photo : Air France/Reuters)
Gut vier Monate nach dem Absturz einer Air-France-Maschine über dem Atlantik haben Experten den Ermittlern schwere Versäumnisse vorgeworfen. Die französische Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“ veröffentlichte vorab Auszüge aus einer Untersuchung. In der von der Air-France-Piloten-Gewerkschaft (SPAF) angestrengten Studie bemängeln die Experten, dass das Problem der vereisten Geschwindigkeitsmesser nicht ausreichend ernst genommen werde. Anders als von den amtlichen Sicherheitsbehörden bislang versichert, sei das Versagen der von Thalès gebauten Pitot-Sonden nicht nebensächlich, sondern habe eine zentrale Rolle beim Absturz der Airbus-Maschine mit 228 Menschen an Bord gespielt.

Seit August hat die Europäische Agentur für Flugsicherheit den Austausch der Pitot-Sonden angeordnet. Einer der beiden Autoren des Berichts ist der frühere Pilot Henri Marnet-Cornus, Luftverkehrsexperte und Präsident der Flugsicherheit-Vereinigung Safety First:

"Dieser Unfall war vermeidbar, wenn man die Vorkehrungen getroffen hätte, alle vorhergehenden schweren Unfälle zu analysieren. Das Problem dieser Sonden ist seit 1995 bekannt. Airbus hat das damals festgestellt. Dieses Problem ist eines der Probleme. Was hat Airbus gemacht? Airbus hat die Besatzungen aufgefordert, mit diesem Problem zurechtzukommen. Die Verantwortung des Flugzeugbauers ist es, diesen Mangel zu beheben. Wenn eine Panne auftritt, dann werden diese aufgezeichnet und aufgelistet, es gibt Checklisten, mit deren Hilfe die Piloten reagieren können. Aber man kann sich nicht damit begnügen, nur eine Checkliste zu erstellen, sondern man muss das Problem beheben. Das ist die Verantwortung des Flugzeugherstellers."

Die Air-France Airbus-Maschine vom Typ A330  war am 1. Juni mit 228 Menschen an Bord auf dem Nachtflug von Rio de Janeiro nach Paris während eines Sturms abgestürzt. Die Ermittler konnten nach wochenlanger Suche bislang lediglich 51 Leichen bergen.

Spaf-Präsident Gérard Arnoux bekräftigte nun: „Ohne die Panne der Pitot-Sonden hätte es keinen Unfall gegeben.“ Seiner Meinung nach versucht die französische Ermittlungsbehörde (BEA), die Rolle der Geschwindigkeitsmesser herunterzuspielen, weil sie selbst nach dem Alarmsignal der deutschen Behörden im Jahr 1999 keine Untersuchungen angestrengt hätte, obwohl dies gesetzlich vorgeschrieben gewesen sei.

Die Studie der Pilotengewerkschaft spricht von einem „kollektiven Scheitern“ und erhebt nicht nur gegen die französische Ermittlungsbehörde BEA schwere Vorwürfe, sondern auch gegen die Zivile Luftfahrtbehörde Frankreichs (DGAC), Airbus und die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA). Bei Air France müsse das „gesamte System in Frage gestellt“ werden. Ausserdem kritisierte er eine Air-France-Führung, die „von der Kostensenkung besessen“ sei.

Allein zwischen Mai 2008 und März 2009 seien neun Zwischenfälle wegen vereister Pitot-Sonden registriert worden, ohne Abhilfe zu schaffen. Wie der Experte weiter bemerkte, seien die Piloten aber nicht ausgebildet, um angemessen auf eine Vereisung der Geschwindigkeitsmesser zu reagieren. Bisher wurde bei einem Ausfall der Sonden eine Erhöhung der Geschwindigkeit empfohlen. Laut Untersuchung bringe dies aber auch ein erhöhtes Absturzrisiko mit sich. Air France habe die Piloten vier Tage nach dem Unfall aufgefordert, dieses Notfallmanöver nicht mehr zu fliegen.

Bis jetzt hatte die Ermittlungsbehörde BEA stets bekräftigt, dass der Ausfall der Pilot-Sonden keine ausreichende Erklärung für den Absturz liefere. Die Untersuchung der Pilotengewerkschaft soll in den kommenden Tagen der Justiz übergeben werden.