Katja Petrovic
Artikel vom 04.11.2008 Letzte Aktualisierung am 04.11.2008 11:01 TU
Auf dem Titel von LIBERATION lächelt Obama. Vertrauensvoll blickt er in Richtung Himmel, "Der Moment ist gekommen" lautet die Schlagzeile dazu, das hat etwas Messianisches. Reichlich emotional geht es auch weiter: "L’espoir d’un nouveau départ" – "Die Hoffnung eines Neuanfangs" heiβt es auf Seite 2, dazu ein Foto von weinenden jungen Afroamerikanerinnen. Dazu passt der liedartig aufgebaute Leitartikel: « Es ist Zeit » lautet der Refrain. Zeit für ein neues Kapitel in der Geschichte der USA und damit auch unserer Geschichte. Es sei Zeit, der brutalen, verlogenen und dogmatischen Auβenpolitik ein Ende zu setzen, meint der Leitartikler, Zeit der Politik der Reichen für die Reichen und dem Krieg im Irak den Garaus zu machen. "Wir wissen noch nicht", schreibt LIBE, "ob Barack Obama tatsächlich die amerikanische Revolution einläuten wird". Doch fest stehe, dass Obamas Slogan "It's time for change", nicht nur den Amerikanern aus der Seele spreche, sondern die Hoffnung eines ganzen Planeten verkörpere.
Obama ist der Präsident aller Amerikaner
Ähnlich pathetisch sieht es bei l’HUMANITE aus. "Le nouveau rêve américain"- „Der neue Traum Amerikas" titelt das kommunistische Blatt und zeigt dazu ein Foto von Obama, dem sich schwarze und weiβe Händen gierig entgegenstrecken. Auch in diesem Leitartikel gibt es einen Refrain: "Er ist noch nicht gewählt, doch die Welt wartet darauf, dass er es wird", heiβt es in der ersten Strophe. In der werden noch einmal die Gründe für Obamas Erfolg zusammengefasst: die Tatsache, dass er nie als Kandidat der Farbigen und Minderheiten aufgetreten sei, sondern als der Präsident aller Amerikaner und dass er begriffen habe, wie sehr das Land die Hoffnung auf einen Neuanfang nach acht Jahren unheilvoller Bush-Politik brauche. Die zweite Strophe ist John McCain gewidmet: "Er ist noch nicht geschlagen, doch die Welt wartet darauf, dass er es wird", heiβt es nun. Sollte er gewählt werden, bedeute das, dass Amerika die katastrophale Politik von George W. Bush fortsetzen wolle, meint der Leitartikler und kommt am Schluss seiner Hymne doch lieber wieder auf Obama zurück. Dabei scheut er sich nicht, Hegel zu paraphrasieren. Obama münze auf seine Person heute all das, was den Willen der Anderen ausmache, schlieβt L’HUMA philosophisch.
Ob Obama oder McCain, beide tragen die Last der Hoffnung auf ihren Schultern
Die katholische Tageszeitung LA CROIX geht das Thema so neutral wie möglich an. Dort reichen sich die beiden Kandidaten noch die Hand auf dem Titel. "Das groβe Warten in den USA" lautet die Schlagzeile, dazu ein Leitartikler, der einen überraschenden Wahlausgang zu Gunsten McCains nicht ausschlieβt. Bis jetzt sei nur eins sicher: dass die Bush-Ära zu Ende gehe und damit auch ein albtraumhaftes Kapitel der amerikanischen Geschichte. Der Nachfolger müsse nicht nur den Amerikanern ihr Selbstvertrauen wiedergeben, sondern auch das angeschlagene Image seines Landes wieder herstellen, mahnt LA CROIX, zeigt sich jedoch zuversichtlich. Schlieβlich sei die Wahlkampagne bereits überraschend neu und anders gewesen. Enorme Hoffnung laste daher nun auf beiden Kandidaten und egal wie der Gewinner am Ende heiβe, stünde er vor einem absoluten Neuanfang, schlieβt LA CROIX diplomatisch.
Fester Händedruck und handfeste Unterschiede
Auf dem Titel von FRANCE SOIR drücken sich Obama und McCain ebenfalls noch fest die Hände. „Eine historische Wahl", titelt das Blatt aus Paris und widmet dem Thema ein 4-seitiges Dossier, in dem tatsächlich auch einmal auf die Inhalte dieser Wahl eingegangen wird. In kurzen Blöcken fasst das Blatt die Hauptthemen der Kampagne zusammen und versucht die Unterschiede zwischen McCain und Obama in den Bereichen Wirtschafts-, Auβen-, Gesundheits- und Umweltpolitik auszumachen.
Der Traum von Amerika ist noch lange nicht ausgeträumt!
Der FIGARO schlieβlich stilisiert beide Kandidaten bereits jetzt zu Helden. Keine Fotos sondern rot-schwarze Drucke zeigen die beiden Herausforderer: McCain dabei ernst mit verkniffenem Mund, Obama charmant lachend im Halbprofil. "Die Welt blickt auf Amerika", titelt das Blatt, "hat jedoch seine Wahl bereits eindeutig zu Gunsten Obamas getroffen", meint der Leitartikler. Noch nie habe eine US-Wahl die Welt so sehr begeistert. Das dürfte den USA-Verächtern gar nicht recht sein, freut sich der Leitartikler und lobt das US-Wahlsystem für seine Dynamik. Dagegen sei der alte Kontinent mit seinen zerstrittenen Volksparteien und festgefahrenen europäischen Institutionen reichlich verkrustet, findet LE FIGARO. Sich für Amerika zu begeistern, sei ein Zeichen von Weltoffenheit, setzt der Leitartikler noch einen drauf, mahnt jedoch vor blinder Euphorie. Denn es sei doch naiv zu glauben, dass sich Washingtons Auβenpolitik nach der Wahl radikal ändern würde. Fest stehe, dass Amerika immer in erster Linie seine eigenen Interessen vertreten werde, egal wie der nächste Präsident nun heiβe, schlieβt LE FIGARO.
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