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Europaglosse vom 30. September 2009

65 Jahre mit der Bombe

 Jaroslav Sonka

Artikel vom 30.09.2009 Letzte Aktualisierung am 30.09.2009 09:21 TU

Die Glosse vom 30. September 2009

30/09/2009 Jaroslav Sonka

Mahmoud Ahmadinedschad vor der UN-Vollversammlung in New York.(Photo : Mike Segar/Reuters)
Letzte Woche haben die Vereinten Nationen wieder mal die atomare Abrüstung angesprochen. Ein Dauerbrenner. Und dies bereits seit rund 65 Jahren, obwohl im nicht mehr gespaltenen Europa es manche nun etwas gleichgültig betrachten. Wir müssen uns jedoch mit dem Problem befassen, denn eigentlich ist alles anders als in jenen Zeiten, wo hunderttausende Leben in Hiroshima und Nagasaki ausgelöscht wurden und im nachfolgenden Kalten Krieg gerade mit den Atomwaffen das „Gleichgewicht des Schreckens“ so lange erhalten wurde. Die aufregende und umstrittene Technologie der Zeit nach 1945, die nur zwei, später vier fünf, sechs, sieben Weltmächte beherrschten, ist heute eine langweilige Sache. Die Isotopenanreicherung und die Zündung einer Kettenreaktion sind wissenschaftlich gesehen ein Thema für „Jugend forscht“. Während damals die Aufwendungen astronomische Summen darstellten, die sich nicht jeder leisten könnte, schauen sich heute die Frage der atomaren Bewaffnung Hinz und Kunz an.

In Nord-Korea hungern die Menschen, aber die Bombe muss her. Noch lockerer im Iran: Dort hat die Lust am Ärgern der internationalen Gemeinschaft ein eigenes Budgetkapitel. Diese Situation verlangt nach gänzlich anderen strategischen Konzeptionen als während des Kalten Krieges. Vor allem – es herrscht kein Gleichgewicht des Schreckens, wie damals in Europa über den Eisernen Vorhang hinweg, sondern ein Ungleichgewicht der Dummheit. Wir kennen die Fähigkeiten des Iran – noch ist es nicht viel. Entscheidend ist es jedoch für die neuen Waffenproduzenten Provokationen zu lancieren. Es werden so innere Probleme gelöst, etwa ein Demokratiemangel. Das Poltern nach außen verdeckt die Situation daheim. So kommen Auftritte zustande, wie jener des iranischen Präsidenten Ahmadinedschad in New York. Und es gibt sofort eine Debatte über den Sinn und Unsinn der UNO. Nun, diese Organisation ist dazu da, dass jeder, der nach formalen Souveränitätskriterien dazu berechtigt ist, reden kann. Es ist immerhin besser als Schweigen. Doch Demokratisierungsansätze in unfreien Ländern, eine Weltregierung, die kann man von der UNO nicht erwarten. Frieden vielleicht, aber nicht immer. Wo und mit wem sollten wir uns aber zusammen setzen, um die Probleme mit neuen Gedanken und Mitteln anzupacken? Ja, mit Gleichgesinnten.

Da gibt es außerhalb der UNO einige Integrationsgruppen, die von einer Wertegemeinschaft ausgehen. Und die Europäische Union gehört dazu. Bei der EU sprechen wir auch (mit einem verschiedenen Ausmaß an Ungeduld) über die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik. Es ist jedoch die Frage der Woche, ob jemand über gemeinsame Standpunkte der EU zur atomaren Bewaffnung gehört hatte. Sicher, hinter verschlossenen Türen debattiert man darüber. Aber in der ganzen Sorge, dass die EU den Bürgerinnen und Bürgern schwer vermittelbar ist, vergisst man, dass hier eine Angelegenheit vorliegt, wegen der die Menschen traditionell in größeren Mengen sogar demonstrieren und der Opfer gedenken. In den Nachrichten hören wir immer wieder, wer wie reagiert auf die Bedrohung der aufstrebenden undemokratischen Atommächte. Aber ein Satz über die Position der EU kommt neben der Mitteilung über die Auffassung von Barack Obama nicht vor. Schade. Eine verpasste Gelegenheit, die Menschen mitzunehmen.

Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin© eab-berlin
Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin.