Eckart D. Stratenschulte
Artikel vom 03.11.2009 Letzte Aktualisierung am 03.11.2009 15:10 TU
Das ist eine Übung für Führungskräfte: „Stellen Sie sich vor, Sie seien Handelsvertreter und müssten verschiedene Orte in Deutschland besuchen. Wie planen Sie Ihre Reiseroute so, dass Sie ein Minimum an Zeit und Kosten aufwenden?“ Der Clou an der Sache ist, dass es eine richtige Lösung meistens nicht gibt, sondern dass entweder zu viel Zeit oder zu viel Kosten oder zu viel Lebensenergie aufgewendet werden.
Vor einem ähnlichen Dilemma stand Bundesaußenminister Westerwelle, allerdings nicht im gruppendynamischen Seminar, sondern in der Realität: Wie bereise ich neun Nachbarstaaten so, dass alle als erste besucht werden?
Dem ersten Besuch eines Kanzlers oder Außenministers wird eine hohe symbolische Bedeutung zugemessen. Keiner sagt: „Lass ihn erst mal Erfahrung sammeln, dann haben wir wenigstens was, worüber wir reden können.“, sondern alle wollen die ersten sein und messen ihre Bedeutung daran.
Nun ist über Guido Westerwelle in den letzten Wochen nicht viel Positives gesagt worden. Zu glanzlos ist seine Wunschkoalition ins Amt gekommen, zu offensichtlich ist, dass die Versprechungen sich nicht halten lassen. Über Westerwelles Sprachkenntnisse wurde nach einem glücklosen Auftritt in der Bundespressekonferenz gewitzelt und beim EU-Gipfel wurde er in Begleitung Angela Merkels als „Welpe“ bezeichnet, der mit großen Augen die Welt bestaune.
Tatsächlich sind die ersten Schritte von Westerwelle jedoch gut gesetzt. Dass er in Brüssel, wo die Staats- und Regierungschefs sich getroffen haben und die Außenminister sowieso nur Staffage sind, nicht das große Wort geführt hat, ist ihm nicht anzukreiden, im Gegenteil. Und seine Besuchsdiplomatie ist wirklich gut. Als erstes ist er – an einem Samstag – nach Polen gefahren, um die Aussage zu unterstreichen, man wolle mit dem Nachbarn im Osten so gute Beziehungen bekommen wie man sie mit Frankreich schon habe. Nicolas Sarkozy und sein Außenminister werden sich darüber nicht grämen, bei ihnen war ja schon die Kanzlerin – außerdem weiß Frankreich um seine Bedeutung, da verlieren solche symbolische Gesten an Gewicht. Mittlerweile war Westerwelle auch in Paris, vorher aber noch in den Niederlanden. Auch das war ein guter Schachzug, denn gerade die kleineren Nachbarn Deutschlands fühlen sich seit einigen Jahren vernachlässigt. Sie haben noch das Großmannsgerede Gerhard Schröders von der „Achse Paris-Berlin-Moskau“ im Ohr, die viele hat erschaudern lassen.Nun kann man natürlich fragen: Wieso die Niederlande und nicht Tschechien, wann kommt er nach Luxemburg oder Dänemark, wann trifft er mit der belgischen Regierung zusammen? Die Antwort ist einfach: Westerwelle kann nicht an neun Orten gleichzeitig sein. Oder genauer gesagt: Noch nicht. Der neue Außenminister bezieht sich ja stark auf seinen berühmten Vorgänger Hans-Dietrich Genscher, der ihm in den letzten Wochen kaum von der Seite wich. Von Genscher wurde aber gesagt, er sei sich in zwei Flugzeugen selbst begegnet. Wenn Genscher das mit zwei Flugzeugen konnte, warum sollte Westerwelle es nicht mit neun schaffen? Immer vorausgesetzt, die Flugbereitschaft hat überhaupt so viel Fluggerät, um das Wunder möglich zu machen.
Es geht also immer noch besser, aber, ehrlich gesagt, war der Europastart des neuen Außenministers schon ziemlich gut.
Glosse
Fokus Frankreich
Letzte Aktualisierung am 15.01.2010 16:16 TU
Politik
2010.01.18 10:51 TU
Gesellschaft