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Europaglosse vom 11. November 2009

Transparenz muss her

 Jaroslav Sonka

Artikel vom 10.11.2009 Letzte Aktualisierung am 10.11.2009 14:06 TU

Die Glosse vom 11. November 2009

10/11/2009 Jaroslav Sonka

Eine Europaglosse heute – nach den ganzen Mauerfeierlichkeiten kann sie nicht mehr über die Trennung und Spaltung der Welt sein, auch wenn in Berlin die Nobelpreisträger dies zu ihrem Thema gemacht haben. Sie könnte vielleicht den elften Elften thematisieren, aber das ist nicht intellektuell genug. Mir gehen andere Gedanken durch den Kopf. Fast schon vergessen ist nämlich die Erleichterung, die vor wenigen Tagen in der Europäischen Union zu spüren war, als der Ratifizierungsprozess des Lissabonner Vertrages abgeschlossen war. Dieses Vergessen ist gefährlich. Irgendwie hat bisher kaum jemand gesagt, dass die Arbeit an der europäischen Integration weiter gehen muss. Nicht vielleicht so, wie Václav Klaus düster blubbert – die EU beraubt die Tschechische Republik ihrer Souveränität … Wir haben andere Aufgaben, als uns Dracula-Stories mit Brüsseler Bürokraten in der Hauptrolle als Blutsauger zu erzählen. 

Was war denn das mit der Demokratisierung? Wollten wir nicht einmal, noch zu Zeiten des Verfassungsvertrages – Verfassung darf man heute nicht sagen – öffentliche Sitzungen des Europäischen Rates haben? Die fielen dann unter den Tisch. Aber wenn sich die Staats- und Regierungschefs treffen, beschließen sie über Regelungen, die uns betreffen. Sie benehmen sich oft wie eine Parlamentskammer. Aber sie lassen sich nicht immer dabei zuschauen.

Das Europaparlament in StrassburgDR
Es gibt das Anliegen immer noch, und wir haben nach der Ratifizierung des Lissabonvertrages neue Ziele zu setzen. Natürlich wissen wir, dass es wieder 10 Jahre dauern kann, aber mehr Transparenz in Europa sollte zu diesen Zielen gehören. In Berlin kennen wir viele Beispiele neuer Architektur – Glasfassaden, Glaswände. Sie sollen symbolisch die Offenheit zeigen. Aber es darf nicht bei den Symbolen bleiben. Wir haben es an einem Beispiel gesehen: Als die Besucher im Bundespresseamt immer wieder gegen die Glaswände stießen, hat man die Transparenz eingeschränkt, indem man schwarze Striche und Vögel auf die Flächen klebte.

Ähnlich ist es mit dem Lissabonvertrag. Wir feiern jetzt diesen Schritt, sprechen von der Demokratisierung, von der Öffnung. Aber die heutige Transparenz der EU ist nicht eine Idylle – auch hier könnten wir mit dem Kopf gegen unsichtbare Wände stoßen, auch hier könnte man uns mit Strichen und Vogelsilhouetten an der Glaswand zeigen, dass der freie Blick doch nicht so frei ist und schon gar nicht einen freien Zugang bedeutet. Wie und wann zuerst soll das europäische Referendum funktionieren? Wie gut sind die Nationalparlamente auf ihre neue Rolle vorbereitet? Und immer wieder – wie offen werden die Staats- und Regierungschefs ihre Treffen für ihre Bürgerinnen und Bürger machen? Der Abschluss der Ratifizierung des Lissabonner Vertrages ist eigentlich kein Abschluss, sondern ein Anfang! Und wir müssen mit dem nun gegebenen Instrumentarium für mehr Transparenz sorgen, aber auch die Lust entwickeln, an diesem Thema weiter zu arbeiten.

Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin