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Europaglosse vom 7. Oktober 2009

Tragikomödie in fünf Akten

 Mechthild Baumann

Artikel vom 07.10.2009 Letzte Aktualisierung am 07.10.2009 08:38 TU

(Photo: Cathal McNaughton / Reuters)
Der Krise sei Dank – die EU kann sich reformieren. Das klingt erst einmal verquer, ist aber durchaus so. Steckten wir augenblicklich nicht in der Finanzkrise, die von Shanghai bis San Francisco, vom Handwerker bis zum Multimilliardär mehr oder weniger alle erwischt, ja hätten wir nicht diese Krise, dann hätten die Iren dem Lissabonner Vertrag niemals zugestimmt.

Welche überzeugten Europäer an dieser Stelle aufgeatmet hatten und froh waren, dass dieser Euro-Krimi nun endlich vorbei sein sollte, die werden jetzt nach der Sektpause im Foyer wieder zurück auf die Plätze gebeten. Ja, das irische Referendum war nur ein Akt in einem Spiel in fünf Aufzügen. Nach der großen Pause erfolgt der Auftritt der britischen Tories in Gestalt ihres Vorsitzenden David Cameron. Der hatte seinem Gefolge vor dem irischen Referendum großspurig versprochen, es werde auch in Großbritannien ein Referendum geben, wenn der Lissabonner Vertrag bis zum Amtsantritt einer Tory-Regierung nicht von allen 27 EU-Mitgliedstaaten ratifiziert worden sein sollte. Mit dem deutlichen Ja der Iren zum Vertrag von Lissabon gibt es jetzt nur noch wenige Wackelkandidaten in der EU, die dem Vertrag noch nicht klar und deutlich zugestimmt haben. Und so richtig kraftvoll deklamieren sie auch nicht mehr.

Vaclav KlausFot. AFP
Hinter den Kulissen laviert der britische Tory-Vorsitzende, versucht Mehrheiten zu bilden, Einfluss zu nehmen und zu intrigieren. So ist zu verstehen, warum er per Brief den tschechischen Präsidenten Vaclav Klaus bat, sich mit der Unterschrift unter die Ratifizierung noch alle Zeit der Welt zu lassen.

Der letzte Akt dieser Tragikomödie ist noch nicht fertig. Die Drehbuchautoren können sich einfach nicht über den Schluss einigen. Das Autoren-Duo Merkel-Sakozy wünscht sich folgenden Schluss: Durch die Zustimmung Irlands zum Vertrag von Lissabon wird der Druck auf die letzten fehlenden Unterzeichner so groß, dass dem Inkrafttreten des Vertrags nächstes Jahr nichts mehr im Wege steht. Wie an einer Perlenschnur werden die letzten Ratifikationsurkunden nacheinander hinterlegt und am Ende steht eine reformierbare EU. Diese neue EU à la Vertrag von Lissabon wird als erste Amtshandlung einen Präsidenten wählen. Und da haben wir ihn, den Höhepunkt. Meine Damen und Herren, bitte begrüßen Sie den Pfadfinder des Dritten Wegs, den geläuterten Katholiken, den Kriegsknecht des Irak, den Europäer aller Europäer, den ersten Präsidenten der EU – seine Hoheit König Tony den Ersten!

 Nicolas Sarkozy, Angela Merkel und Tony Blair, am 8. Januar 2009 in Paris.( Photo : AFP )

Wer also dachte, die Krise der EU sei mit der Ratifizierung des Vertrags von Lissabon vorbei, der irrt. Mit einem Präsidenten Tony Blair würde die EU den Bock zum Gärtner machen. Aber vielleicht steht uns da einfach nur noch die Katharsis, die Läuterung durch die nächste Krise, bevor? Vielleicht mutiert Blair vom Briten zum Europäer, wer weiß? Oder wir schreiben sicherheitshalber vorher das Drehbuch noch einmal schnell um.

Dr. Mechthild Baumann von der Europäischen Akademie Berlin