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Europaglosse vom 15. Juli 2009

Nabucco zwischen Verdi und Agatha Christie

 Jaroslav Sonka

Artikel vom 14.07.2009 Letzte Aktualisierung am 14.07.2009 12:47 TU

Die Glosse vom 15. Juli 2009

14/07/2009 Jaroslav Sonka

Verlauf der Gas-Pipeline Nabucco.(Source : Wikipedia)
Nun haben wir also Nabucco, ein Projekt der Gasversorgung, aus der Taufe gehoben. Aber wer versteht eigentlich, was da geschieht? Politologiestudenten fahnden ab und zu nach der Erklärung, warum dieser Name? Und sie finden heraus, dass es kein Akronym ist - die Gründer haben in Wien nach den Verhandlungen Verdis Oper besucht und ihren Namen dann als Überschrift für ihre Aktivität genommen. Und sie haben angefangen etwas zu konstruieren, was in der Zwischenzeit mehrfach fast gescheitert ist.

Aber die Oper Nabucco hat gerade wegen dieser Schwierigkeiten beim näheren Blick etwas Symbolisches für das Projekt mitgebracht. Nabucco ist eigentlich Nebukadnezar, der ein großer König in Babylon war. Und Nabucco als Projekt der europäischen Gasversorgung hat tatsächlich etwas opernhaftes und legendenhaftes. Zunächst herrschte der alte Nabucco über ein Reich, in dem heute große Energiereserven liegen, ausgebeutet werden und im Zentrum kriegerischer Auseinandersetzung sind - Kriege damals, Kriege heute. Einen Bezug auf Nebukadnezar hat sich auch schon ein Saddam Hussein geleistet. Die alte babylonische Geschichte kann auch in der Torah und folglich auch in der Bibel nachgelesen werden. Und Verdis Oper greift die Geschichte auf und "tralala-li-lili", im Sklavenchor feiert sie abstrakt die Befreiung. Die Gaspipeline Nabucco soll Europa durch die Gasversorgung aus Zentralasien von einer übermäßigen Abhängigkeit vom russischen Gas befreien - und von Gerhard Schröder. Deshalb hat Nabucco sich auch einen Berater genommen, der den früheren niedersächsischen Proletarier gut kennt, nämlich Joschka Fischer. Auf die Sumo-Kämpfe der politischen Schwergewichte freuen wir uns schon. Es fällt zudem auf, dass beide Experten Deutsche sind. Und nur beiläufig möchte ich daran erinnern, dass schon die Bagdadbahn, den meisten nur aus dem Agatha-Christie-Film Mord im Orient-Express bekannt, so ein Projekt mit deutschen Experten war, vor rund 100 Jahren. Die Nabucco-Pipeline wird in Ankara parallel mit dem Seitenzweig der Bahn verlaufen, an der hundert Jahre alten Dampflok aus Esslingen vorbei, die vor dem Bahnhof steht.

Aber politisch ist immer noch nicht alles gegessen. Emanzipieren will sich auch die Türkei, die jedoch nicht ganz im Sklavenchor aufgeht. Sie hat eigene Interessen, genießt jedoch die steigende Bedeutung des Landes als "Energiekorridor". Die Türkei will auch eine technische Lösung, die etwas teuerer ist - eine bidirektional funktionierende Verbindung - auch die Türken haben also ein bisschen Angst vor den Russen, die alles getan haben, um dieses Projekt beiseite zu schieben. Zum Beispiel durch die parallel verlaufende Verbindung "Southstream", natürlich von Russland aus. So würde die Türkei auch aus dem Westen versorgt werden können. Also doch vielleicht ein Akronym? Nabucco: New Autonomous bidirectionally usable connection. Ich freue mich auf eine neue Agatha Christie, die sich von neuen Abenteuern inspirieren lässt. Ich weiß aber nicht, wen Sean Connery spielen wird: Gerhard Schröder? Joschka Fischer? Oder lieber Giuseppe Verdi?
Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin