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Europaglosse vom 22. Juli 2009

Gesichtsloses Europa

 Jaroslav Sonka

Artikel vom 21.07.2009 Letzte Aktualisierung am 21.07.2009 14:27 TU

Die Glosse vom 22. Juli 2009

21/07/2009 Jaroslav Sonka

(Photos : Reuters & Communauté européenne)
Noch Wochen nach der Europawahl philosophieren wir in verschiedenen Kreisen über die niedrige Wahlbeteiligung und darüber, wie man die gesichtslose Art Europas, die anonyme Art die Bürgerinnen und Bürger anzusprechen, verändern könnte. Anonyme, fröhliche Gesichter in den europäischen Broschüren helfen anscheinend nicht.

Wie ist es jedoch mit den Gesichtern von Politikern, die in ihren Mitgliedsstaaten höhere Wahlbeteiligungen erreichen? Kennen wir sie deshalb, weil sie etwas für uns Substantielles ausdrücken? In Schleswig-Holstein bemühen sich Ministerpräsident Carstensen und sein Stellvertreter Stegner dadurch aufzufallen, indem sie sich auf die Nase hauen. Wir kennen nun die Gesichter, aber hilft es uns? In Bayern ist uns der Ministerpräsident menschlich entgegengekommen, indem er fremd ging. Wir kennen ihn nun auch, aber wegen der Politik?

Manche Politiker sind mit Comics oder Romanze nicht zufrieden. Sie wollen ein Heldenepos erzeugen. In Tschechien gilt Präsident Klaus in den Umfragen deshalb als besonders vertrauenserweckend, weil er seine kritisch brummelige, teilweise intellektuell brutale Art des Beschützers der Nation besonders pflegt – ein politischer Dirty Harry. Nicht nur 63% der Tschechen, sondern auch die Fraktion „Konservative und Reformisten“ des Europäischen Parlamentes finden ihn Klasse.

Die Slowaken und Ungarn verteidigen nun auch ihre jeweiligen nationalen Schäfchen so, dass die Verteidigung gegen die Mongolenstürme dagegen eine Sandmännchengeschichte ist. Der slowakische Ministerpräsident Fico schreibt mit seiner Regierung ein Gesetz zusammen, das zwar nichts dagegen hat, einen Amtsträger in der Hohen Tatra englisch anzusprechen, aber eine Ansprache auf Ungarisch ist eine Ordnungswidrigkeit, für die man sogar zahlen muss. Und wir kennen wieder die Gesichter, die hinter diesen Politiken stehen – von Klaus, von Fico, vom slowakischen Nationalisten Slota, aber auch vom neuen Star der ungarischen Liberalen János Kóka, der die 10 Prozent der slowakischen Ungarn vehement in Schutz nimmt. Was meinen diese Menschen? Wollen sie wirklich alle slowakischen Ungarn zwingen, fehlerfrei slowakisch zu sprechen, wollen sie umgekehrt wirklich diese slowakischen Ungarn vor dem Slowakischen beschützen, wollen sie wirklich die Tschechen und Briten vor dem fatalen Lissabonner Vertrag retten? Oder wollen sie der jeweils lauteste Hahn auf dem jeweiligen Misthaufen bleiben?

Im letzteren Fall haben die Werbeanstrengungen der EU keine Chance. Die Politiker auf der europäischen Ebene machen so langweilige Sachen wie Verbraucherschutz – etwa um Kinder vor giftigem Spielzeug zu beschützen, Energiepolitik – um die strategische Positionierung Europas in der globalisierten Welt zu sichern. Und bei der polizeilichen Kooperation, bei Europol und der Entwicklung der Schengener Zusammenarbeit, wollen sie sogar das internationale Verbrechen bekämpfen. Damit bekommt man aber sein Gesicht nicht in die Zeitung – ohnehin kooperieren da zu viele, um ein Gesicht zu haben. Da muss man schon eine Geliebte haben, oder einen Feind, der einem nichts tut, aber dafür um so düsterer geschildert werden kann.

Jaroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin