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Europaglosse vom 5. August 2009

Unbekannte Nachbarn – Reisenotizen

 Jaroslav Sonka

Artikel vom 04.08.2009 Letzte Aktualisierung am 05.08.2009 14:44 TU

Die Glosse vom 5. August 2009

05/08/2009 Jaroslav Sonka

Europäische Integration. Ein Ausdruck, den wir kennen – und beim Aussprechen dieser Worte denken wir uns fast nichts. Irgendwie gehören wir zusammen. Und Experten, jedenfalls die sich dafür halten, werden darüber Tagungen organisieren, Publikationen schreiben, für Experten, etwa über die europäische Öffentlichkeit.

Was in unserem Leben bedeutet eigentlich diese Integration und was sind ihre Hindernisse? Was merken wir zum Beispiel als Urlauber? Schengener Raum, das Paradies, in dem man den Pass nicht vorzeigen muss!

Zugreise Prag-Dresden

Nach der kaum sichtbaren Grenze tauchen plötzlich mürrisch dreinblickende Sheriffs auf, der eine von der sächsischen, der andere von der Bundespolizei, die eben keine Grenzkontrolle machen. Nur – wenn jemand asiatisch oder afrikanisch aussieht, wird er kontrolliert. Ich sehe sooo unschuldig aus, dass ich mir darüber Gedanken machen muss. Ich wollte mit den Polizisten über Fragen der polizeilichen Zusammenarbeit diskutieren. Offenbar trauen sie der Passkontrolle auf dem Prager Flughafen nicht, denn dies ist die nächste Außengrenze des Schengener Raumes. Wahr ist, dass dort einmal eine ganze Ladung von Passagieren aus den USA zum falschen Schalter geriet und die Kontrolle unterblieb.

Zugreise Dresden-Prag

Wieder die sächsische und die Bundespolizei. Vielleicht trauen sie genauso wenig den Kontrollen auf den Flughäfen in Berlin und Dresden. Subtiler sind die Österreicher.

Autoreise Wien-Brünn

Als Europäer vertraue ich darauf, dass in einem gewissen Abstand von der offenen Grenze Hinweisschilder mit Ortsnamen von der anderen Seite auftauchen. Weit gefehlt. Dürnkrut, Jedenspeigen, Drösing, Hohenau, Rabensburg, Bernhardstal, Reintal, ... Ende der Welt.

Nikolsburg/Mikulov, Eisgrub/Lednice kennt man in Österreich nicht, auch 20 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs. Vielleicht ist man nur vorsichtig und will die Namen nicht hinschreiben. Die Tschechen würden gegen Nikolsburg protestieren, die Sudetendeutsche Landsmannschaft Österreichs gegen Mikulov. Und doch ist es schon lange eine schöne Stadt, die so wichtig war und ist, dass sie in beiden Sprachen einen Namen hat: Nikolsburg ist Mikulov!

Reise nach Gorizia

Aber wie? Die Bahnauskunft in Deutschland kennt das Ausland nur in einer primitiven, schematisierten Version. Umsteigen in Braunschweig, oder Wien und Udine – lang ist der Weg. Flüge? Auch nur Mailand oder Venedig und dann mit dem Zug quer durch die Landschaft. Gorizia, zu deutsch Görz, liegt an der Grenze zur Terra incognita, Slowenien. Nur ein abenteuerlustiger Europäer kommt auf die Idee, auf der anderen Seite der europäischen Gedankenscheide auszuschauen. Flug nach Laibach/Ljubljana, von dort zwei Stunden mit dem Bus nach Nova Gorica. Das ist die slowenische Stadthälfte zu Gorizia, wohin es dann 10 Minuten zu Fuß sind. Der Reisende muss jedoch diesen Weg erst entdecken und beim Grenzübertritt ist er ziemlich einsam.

Europa integriert sich. In den Informationszentren der Europäischen Kommission gibt es Karten, in denen die EU schön einheitlich gelb aussieht. Die Grenzen sind passierbar, existieren jedoch in den Köpfen – der sächsischen Polizisten, der  Sudetendeutschen und Tschechen, der Slowenen und Italiener, der Reisebüros und der Auskunft der Deutschen Bahn. Europäische Integration, das ist Arbeit im Kleinen.

Raroslav Sonka von der Europäischen Akademie Berlin