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Europaglosse vom 26. August 2009

Vertrauen ist gut, mehr Vertrauen ist besser

 Eckart D. Stratenschulte

Artikel vom 25.08.2009 Letzte Aktualisierung am 26.08.2009 12:00 TU

Die Glosse vom 26. August 2009

26/08/2009 Eckart D. Stratenschulte

Eckart D. Stratenschulte© eab-berlin
In den österreichischen Bergen vollzieht sich in diesen Tagen eine erstaunliche Veranstaltung. Da treffen sich Menschen aus ganz Europa – Politiker, Wissenschaftler, Diplomaten – um miteinander zu reden. Sie sprechen über: Vertrauen.

Dieses Thema scheint aus der Welt gefallen zu sein. Heutzutage, wo sich alles um Zahlen und Fakten dreht, wo controlling und cross-check die Modewörter sind, soll auf einmal über Vertrauen gesprochen werden?

Bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass das Thema aktuell wie selten ist. Vertrauen ist nämlich die Grundlage aller sozialen Beziehungen. Das geht im Kleinen los und wird beim Vertrauen der Bürger zu ihrem Staat hochpolitisch. Mit Vertrauen ist es wie mit Gesundheit – man merkt erst, wie wichtig es ist, wenn es gestört oder gar zerstört ist.

Ein Aspekt der Debatten in Alpbach, so heißt der Ort, an dem das Europäische Forum stattfindet, ist das Vertrauen von Staaten untereinander. Das ist besonders kompliziert, weil Staaten ja keine Personen sind, sondern ein Aggregatzustand von Menschen, Interessen, Ideologien und Sachzwängen. Die nationale Psyche ist viel komplexer als die Seele eines Einzelnen. Dennoch ist Vertrauen auch zwischen Staaten möglich. Der beste Beweis ist die Europäische Union. Die ist wenige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg ja nicht entstanden, weil die Partner – vor allem Deutschland und Frankreich – unsterblich ineinander verliebt waren. Gerade im Umfeld des 1. September darf man auch daran erinnern, dass es nach dem Krieg wenig Gründe gab, die Deutschen zu lieben. Die Europäische Union ist also nicht auf Liebe und Vertrauen gegründet worden, sondern auf Hass und Misstrauen. Aber es ist den Partnern gelungen, Vertrauen zueinander zu entwickeln, was ja unterschiedliche Auffassungen und Auseinandersetzungen nicht ausschließt. Erreicht wurde diese Leistung jedoch nicht durch die Suggestivkraft einiger älterer Herren, die damals bei der Gründung der europäischen Integration Pate standen, sondern durch die Schaffung von stabilen und funktionierenden Institutionen, in denen die Zusammenarbeit so geregelt war, dass der eine den anderen nicht über den Tisch ziehen konnte – und kann, denn daran hat sich bis heute nichts geändert.

Als der ungarische Präsident vor einigen Tagen die Slowakei besuchen wollte, haben die Slowaken Polizeitruppen auf der anderen Seite der Brücke aufstellen lassen, um ihn daran zu hindern. Das ungarische Staatsoberhaupt, hieß es aus dem Nachbarland, das wie Ungarn der EU angehört, sei nicht willkommen. Dahinter stehen Auseinandersetzungen über die Rolle und die Behandlung der ungarischen Minderheit in der Slowakei. Das Beispiel zeigt: Eine Diskussion über Vertrauen, wie sie derzeit in Österreich geführt wird, zielt auf ein Zukunftsthema und hat von ihrer Bedeutung nichts verloren.

Eckart D. Stratenschulte ist Leiter der Europäischen Akademie Berlin